Wer intrinsische Unternehmensbewertung zur Beurteilung von Aktien einsetzt, unterstellt, dass Aktienmärkte Unterbewertungen und Überbewertungen zulassen. Dagegen steht die Markteffizienzhypothese.
Im Wesentlichen besagt die Markteffizienzhypothese, dass vorhandene Informationen in den Kursen eingepreist sind und somit kein Marktteilnehmer in der Lage ist, durch Analysen dauerhaft überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen.
An den Universitäten ist die Prüfung von „Market Efficiency” ein Dauerthema, welches in der Regel mit der Feststellung endet, dass Märkte gerade nicht oder nur unter definierten (vielfach sehr theoretischen) Bedingungen effizient sind.
In der Praxis lautet ein Vorwurf zur Auswahl von Einzeltitel gerne plakativ: „Du bist also schlauer als der Markt?“ Vielfach folgt die Empfehlung, statt der Auswahl einzelner Aktien (sog. Alphastrategie), doch lieber den gesamten Markt oder Marktteilbereiche mit Hilfe von Fonds (z.B. ETF) zu erwerben (sog. Betastrategie).
Schließlich sei durch eine Betastrategie oder jüngst auch „smart Beta“ das Risiko einzelner Unternehmen am aller Besten diversifiziert und es bestehe nur ein Marktrisiko, so das Argument. Oftmals wird diese Sichtweise mit dem Hinweis untermauert, dass immer nur ein geringer Teil der aktiven Fondsmanager bessere Renditen als der Markt (z.B. S&P 500 oder DAX) erziele.
In der Tat, während der Corona-Krise beispielsweise hatten insbesondere der S&P 500 oder die Nasdaq gegenüber vielen individuell zusammengestellten Portfolien weniger stark gelitten und beide Indizes konnten sich zudem schneller erholen.
Das Argument der Alpha-Investoren, dass sich im Crash die Strategie des Stock-Picking konservativer Titel auszahle, dürfte in dieser Krise sehr häufig nicht gehalten haben.
Warum also der Aufwand zur Bewertung von Einzeltitel? Nachstehend folgen Antworten und eine kritische Beleuchtung von ETF.
Rechtfertigung einer Alphastrategie
Werden Zahlen vorgelegt, dass ein aktiv zusammengestelltes Aktiendepot den Markt nicht schlagen konnte, ist zunächst auf die Mathematik zu achten. Oftmals ist die zitierte „Underperformance“ durch die Gebühren des Anlagemanagers verursacht.
Ferner muss für eine Beurteilung der Markt als Benchmark erst einmal definiert sein. Viele Indizes sind sehr wesentlich durch die Marktkapitalisierung weniger Titel geprägt. Insofern ist das Risiko einzelner Unternehmen im Benchmark ausschlaggebend und nur Risiko-adjustierte Vergleiche sind angemessen.
Sodann sollte langfristig und in Zeiten steigender sowie in Zeiten fallender Aktienmärkte verglichen werden. Ein auf Basis von Fundamentaldaten zusammengestelltes Aktienportfolio mag im Bullenmarkt einem Index hinterher laufen, mag aber gleichzeitig im Bärenmarkt weniger stark fallen, auch wenn dies in der Corona-Krise für viele Alpha-Portfolien nicht galt.
Für einen sinnvollen Einstieg benötigen ETF-Investoren die Meinung, dass der Einstiegsmoment in einem definierten Markt richtig erscheint. Typischerweise erscheint ein solcher Moment gegeben, wenn der Index z.B. relativ zu den Ergebnissen in der Vergangenheit attraktiv erscheint.
ETF-Investoren agieren demnach wie Händler. Im Grunde interessiert der Wert der mit dem ETF gekauften Unternehmen nicht. Entscheidend ist ein günstiger Einstieg und ein teurer Verkauf. Ein solcher Handelsansatz ist darauf angewiesen, das Verhalten des Marktes vorauszusehen. Es gibt nur wenige Marktteilnehmer, denen dies nachhaltig gelingt.
Value-Investoren sind hingegen darauf angewiesen, dass die prognostizierten Cashflows besser eintreffen, als dies der Markt einpreist. Intrinsische Bewertung erlaubt den „Chancenkindern“ Einsicht, Kontrolle und eigenverantwortliches Handeln.
Das Argument, eine Prognose zukünftiger Cashflows sei nicht möglich oder viel zu unsicher und von daher sei ein DCF-Modell keine geeignete Methode zur Beurteilung von Aktien, ist zu kurz gesprungen. Im Rahmen einer Unternehmensbewertung steht von vorneherein fest, dass die Planungsannahmen nicht eintreffen werden. Das ist das Wesen einer Prognose.
Wer das vorgenannte Argument vorträgt, hat einen bedeutsamen Zusammenhang nicht verstanden:
Um mit Aktien Geld zu verdienen, müssen die Planungsprämissen nicht eintreffen.
Die Planungsprämissen müssen im Durchschnitt nur besser sein, als dies der Markt zum Zeitpunkt der Beurteilung einpreist.
Ein ETF ist ein Warenkorb und enthält immer überbewertete Aktien. Für einen Warenkorb spricht allein das Argument einer ausreichenden Streuung oder Diversifikation. Gleichwohl kann ein vorgegebener Warenkorb risikoreicher sein als ein eigens zusammengestellter Korb.
Wichtig aber auch: Ein ETF ist ein Wertpapier eines Dienstleisters, es besteht „Counterparty-Risk“. Oftmals erwerben diese Dienstleister nicht einmal die Aktien des Indizes, sondern bilden die Wertentwicklung ausschließlich „synthetisch“ ab.
Eine Aktie hingegen ist ein direkter Anteil an einem Unternehmen. Liegt eine Meinung über einen angemessenen Diskontierungsfaktor und über zukünftige Cashflows vor, kann eine „faire“ Investition ohne Intermediäre geprüft werden.
Bei der Abwägung zwischen Alpha- und Betastrategie kann eine alte Lebenserfahrung helfen:
Wer nicht etwas einbringt (hier durch Analysen), darf nicht erwarten, Geld verdienen zu können.