Der Effekt von Krisen
- Auswirkungen auf die Definition von Risiko
- Historische Volatilität gegenüber einem Index als Risikomaß ungeeignet
- Bottom-Up Beta statt Regression
Der Effekt von Krisen
- Krisen verändern den Blick auf Aktien und deren Risiken. Technologiewerte, Pharmatitel und Aktien von Biotechunternehmen beispielsweise waren beim Platzen der Dotcom-Blase und während der Finanzkrise im besonderen Maße negativ betroffen. Bekanntermaßen war dies in der Corona-Krise nicht der Fall. Vorgenannte Industrien waren weniger volatil und erholten sich erstaunlich schnell. Die Gründe sind vielfach diskutiert und nachvollziehbar.
- Sogenannte „defensive“ Werte, wie etwa Versorgungstitel erwiesen sich im Verlauf der Krise als überraschend volatil und damit risikoreicher. Einmal mehr musste die Finanzbranche etablierte Regeln überdenken und Vorgehensweisen beispielsweise zur Portfoliodiversifikation in Frage stellen.
- Theorie und Praxis definieren Risiko als die mögliche Abweichung von einem erwarteten Ergebnis. Als Gradmesser für das Risiko einer Aktie musste über viele Jahre hinweg die Wertentwicklung einer Aktie gegenüber der Wertentwicklung eines gesamten Aktienmarktes herhalten. Die Corona-Krise hat solche Überlegungen nicht gelten lassen. Gerade Technologietitel mit historisch hoher Volatilität konnten in dieser Krise organisch wachsen und sich am Kapitalmarkt als robust und chancenreich empfehlen.
- Mehr noch, aus Schwergewichten wie Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon und Meta wurden Giganten, die von der Krise profitierten und ganze Indizes maßgeblich beeinflussten. Im Verlauf einer ganzen Dekade wäre eine Investition in diese Titel der richtige Ansatz gewesen. Diese Unternehmen konnten ihre Geschäftsmodelle ausweiten und ihre Aktienkurse über lange Zeiträume steigern.
- Ob zukünftige Kurssteigerungen gerechtfertigt erscheinen, kann intrinsische Unternehmensbewertung helfen zu beantworten, zumindest die dafür notwendige Unternehmensentwicklung vor Augen führen. Grundsätzlich lehrt die Geschichte, dass lang anhaltende Kurssteigerungen zu erheblichen Überbewertungen führen können, die der Markt unerwartet plötzlich korrigiert. Nach einer ausreichenden Anzahl an Jahren sind es stets neue Namen, die die Liste der Unternehmen mit der weltweit höchsten Marktkapitalisierung anführen.
- Die Definition von Risiko ist nicht aus der Welt. Der Grundgedanke, das individuelle – relative – Unternehmensrisiko zu messen, hat weiterhin Berechtigung. Die historische Volatilität einer einzelnen Aktie gegenüber der Entwicklung des gesamten Aktienmarktes ist jedoch kein geeignetes Maß zur Bepreisung von Risiko. Viele Analysten werfen das relative Risiko eines Unternehmens im Nachgang von Krisen über Bord. Das ist eine falsche Reaktion.
- Selbstverständlich sind Aktien etwa von Coca-Cola und Aktien eines jungen Biotechunternehmen unterschiedlich risikoreich. Es liegt nach wie vor auf der Hand, die erwarteten Cashflows beider Unternehmen mit unterschiedlich hohen Zinssätzen zu diskontieren, dem jeweiligen Risiko angemessen. Unter den Erläuterungen zur Methodik steht aus gutem Grund die Herleitung und Begründung eines individuellen Diskontierungssatzes vor dem Kapitel zur Herleitung zukünftiger freier Cashflows.